Volkhard Brandes über Hasan
Dewran:
Hasan Dewrans Gedichte verweigern sich dem schnellen, oberflächlichen Konsum.
Es ist eine Lyrik der leisen Töne und der Nuancen, der Neugier und des Staunens, der
präzisen Beobachtung und der gründlichen Reflexion, der Melancholie und der
Verzweiflung, aber auch des Widerstandes und der nie ganz verlorenen Hoffnung.
In ihr verarbeitet der Dichter sein Leben in drei Kulturen der zaza, der
türkischen und der deutschen und weist zugleich darüber hinaus auf die
Universalität menschlicher Erfahrungsmuster.
Es sind Gedichte eines Suchenden, eines Ruhelosen, in dem die Stimme der Ferne
manchmal... heult wie ein hungriger Felsenwind.
...
Dichter wie Hasan Dewran stellen diese Kultur auf den Prüfstand nicht indem
sie sie bloßstellen, sondern indem sie ihr ein Angebot unterbreiten.
(aus dem Nachwort zu Mit Wildnis im Herzen)
Über Hasan Dewran erschienen:
Prof. Hans Werner Panthel: Hasan Dewrans Tausend Winde Ein Sturm: Lyrische
Intensionen auf der Suche nach sozialem Akzept. In: Germanistische Mitteilungen, Brüssel,
Nr. 35/1992.
Neu verlegt in:
Panthel, Hans W.: Symbiosen. Politisch-literarische Aufsätze, Mannheimer Studien zur
Literatur- und Kulturwissenschaft. Reihen-Hrsg.: Hörisch, Jochen; Wild, Reiner. Band: 8,
204 Seiten, 1996 (ISBN: 3-86110-096-7).Lesungen - Pressestimmen (in Auswahl)
>> Mannheimer
Morgen: Von der Schönheit der Sprache
>> Mannheimer
Morgen: Eine lyrische Entdeckungsreise
>> Die
Rheinpfalz: Blühendes Zazaki
>> Idsteiner
Zeitung: Poesie und Musik zwischen den Kulturen
>> Eine Sprache zwischen
Tausend Winden"
Einführungsreden
>> KultTour 2010
Station 1: Theater Oliv:
>> Lesung Hasan Dewran im
Rahmen von Europa Morgen Land
Mannheimer Morgen: Von der Schönheit der
Sprache
Innenstadt: Dreisprachige Lyrik über 50 Jahre
Migration im Café Filsbach
"Herr Lehrer, Herr Lehrer, mein Kopf weint!" So lautete der erste Satz, den der
Psychologe und Schriftsteller Hasan Dewran in der Schule auf Türkisch lernte. Dewrans
Muttersprache ist Zazaki, das in der östlichen Türkei gesprochen wird, aber auch Deutsch
gehört zu seinen "Herzenssprachen". In den Genuss aller drei Sprachen kamen die
Gäste im Café Filsbach. Unter dem Motto "50 Jahre türkische Migration"
präsentierten Künstler ihre Werke.
Die Kulturveranstaltung bot ein vielfältiges Programm. Besucher wie Elisabeth Metzger aus
Mannheim, die sich sehr für das Thema Migration interessiert und ihr Wissen darüber
erweitern wollte, kamen beim Vortrag von Dr. Maria Alexopoulou auf ihre Kosten. Die
Historikerin und Lehrbeauftragte der Universität Heidelberg umriss 50 Jahre
türkisch-deutsche Migrationsgeschichte. Dabei sprach sie von der angespannten
Wohnungslage in Mannheim in den 70er Jahren, der hohen Jugendarbeitslosigkeit unter
Einwandererkindern, aber auch davon, wie viele Migranten aus ihrer alten und neuen
Identität etwas Neues schaffen und kreativ werden. Kreativität beweist auch der Maler
Kemal Celik. Seine Bilder werden bis zum 26. April im Café ausgestellt und spiegeln
Eindrücke von seinem Weg von Anatolien nach Deutschland wider. Mit freundlichen
Acrylfarben werden Motive von Leid und Zerstörung oft nur angedeutet. So muss sich der
Betrachter mit einem Bild beschäftigen, um die Botschaft zu entdecken.
Die Begegnungsstätte Westliche Unterstadt e.V. organisiert die Ausstellung in Kooperation
mit KulturQuer QuerKultur Rhein-Neckar e.V. Nicht nur mit Kemal Celik, sondern auch mit
Hasan Dewran arbeitet der Verein seit vielen Jahren erfolgreich zusammen. Dewran, der im
Alter von 19 Jahren aus der Türkei nach Deutschland kam, betätigt sich neben der Arbeit
in seiner psychotherapeutischen Praxis als Lyriker und als Autor von Kurzgeschichten.
"Ich bin begeistert von der Schönheit der Sprache und der Vielfalt der Themen, die
er mit seiner Lyrik ausdrückt", preist Gisela Kerntke, Vorsitzende von KulturQuer,
den Dichter bereits bei der Begrüßung der Gäste an.
So wird die Lesung von Hasan Dewran zum Höhepunkt des Abends. Unterstützt wird der Autor
von der Schauspielerin Bettina Franke. Die familiäre Atmosphäre sorgt für eine
Geräuschkulisse, die es den Vortragenden nicht immer einfach macht, mit den
poetisch-zarten Texten durchzudringen. Dewran und Franke bleiben jedoch sympathisch
entspannt und passen sich der Situation an, indem sie kurze und überwiegend heitere
Gedichte und Geschichten präsentieren. Rüdiger Rohr aus Sinsheim spricht wohl vielen
Gästen aus dem Herzen mit seinem Urteil: "Der Herr mit den weißen Haaren hat mich
mit seiner Natürlichkeit sehr beeindruckt und mir einen Einblick gegeben in die
sprachlich-kulturelle Vielfalt der Türkei." hu
© Mannheimer Morgen, Mittwoch, 11.04.2012
KultTour 2010 Station 1: Theater Oliv:
Einführung von Gisela Kerntke, die Vorsitzende des Vereins
KulturQuer QuerKultur, auf der Feier zum 10-jährigen Bestehen
des
Vereins am 24. 07.2010.
"Die kulturelle Vielfalt, die sich in in Bildender Kunst, Malerei, Literatur oder
Theater ausdrückt, ist der rote Faden der KultTour 2010 in der Neckarstadt-Ost und
Herzogenried.
Wir erleben heute hier drei bedeutende Lyriker: die Werke von Giannis Ritsos werden von
Helga Grimme in deutscher Sprache vorgestellt, die Werke von Nazim Hikmet stellt Soner
Erdogmus in türkisch und in deutsch vor. Außerdem werden Bettina Franke und Hasan Dewran
gemeinsam Gedichte von Hasan Dewran in seiner Muttersprache Zazaki, in türkisch und in
deutsch vortragen.
Hasan Dewran ist ein deutsch-türkischer Schriftsteller, der auf Deutsch, Türkisch und in
der Zaza-Sprache schreibt. Er wurde 1958 in eine alevitische Zaza-Familie in Tunceli am
oberen Euphrat geboren bzw. Dersim, wie die Stadt in der Zaza-Sprache heißt, zwanzig
Jahre nach dem Massaker, das an der alevitischen Zaza-Bevölkerung verübt wurde.
Hasan Dewran wuchs mit Geschichten über die Zeit der politischen Verfolgungen auf.
Bereits als Kind begann er mit dem Verfassen von Gedichten. Nach seinem Abitur in der
Türkei ging er 1977 in die Bundesrepublik Deutschland und arbeitete nach seinem Studium
der Psychologie einige Jahre als Therapeut für die Evangelische Kirche. Seit 1995 ist der
Vater dreier Kinder niedergelassener Psychotherapeut.
Auf literarischem Gebiet betätigt er sich als Lyriker und Aphoristiker. Schon seine
ersten Veröffentlichungen Entlang des Euphrats (1983) oder Tausend Winde ein Sturm
(1988) wurden in den deutschen Medien beachtet. Bisweilen wird Dewrans bildhafte,
verdichtete Sprache mit der Nazim Hikmets verglichen. Mit Feuer seit Zarathustra (1992)
veröffentlichte der Dichter weitere "Gedichte, Aphorismen und ein lyrisches
Märchen". Mit Wildnis im Herzen (1998) ist seine vorerst letzte eigenständige in
deutscher Sprache erschienene Buchpublikation.
In jüngerer Zeit erschienen noch zwei Hörbücher mit Texten Dewrans. Dewrans Gedicht
"Das Unwetter der Armut" wurde zudem neben Texten von Autoren wie Erich Fried
und Nelly Sachs für den Konzert-Zyklus aus 17 Musikstücken für 2 Blockflöten,
Chitarrone, Viola da Gamba und Cembalo und 16 Texten über das Exil "Von der
schwarzen Erde dieser Welt" (1992) von dem Komponisten Friedemann Schmidt-Mechau
vertont (Aus: Wikipedia).
Die Rheinpfalz schrieb über ihn: Die Sprachen sind die Stimmen der Völker. Sie sind wie
die Blüten eines Baumes
Alle Völker sind Brüder. Alle Sprachen sind Schwestern.
Ich lebe in drei Kulturen, in drei Welten und in drei Seelen. Drei Kulturen, Welten und
Seelen leben in mir.
Der Hessische Rundfunk fand, dass "Dewrans (
) dichte Sprachbilder an Nazim
Hikmet (erinnern), den großen türkischen Volksdichter und Friedenpreisträger". Und
zum Schluss noch ein Zitat aus dem Mannheimer Morgen: Hasan Dewrans Gedichte machen mit
sanfter Eindringlichkeit auf politische und soziale Missstände aufmerksam
Seit zwölf Jahren führt er seine Lesungen gemeinsam mit der Schauspielerin Bettina
Franke durch. Hasan Dewran mit Gründungsmitglied von KulturQuer und unterstützt diesen
Verein seit Jahren."
(von Gisela Kerntke)
Lesung Hasan Dewran im Rahmen von Europa Morgen Land
am 2. März 2008 im Café Laul / Ludwigshafen
von Anne Barbara Dell
Ich freue mich sehr, Ihnen Hasan Dewran vorstellen zu dürfen.
Hasan Dewran wurde 1958 als sechstes von sieben Kindern in einer alevitischen Zaza-Familie
in der Osttürkei am oberen Euphrat geboren - 20 Jahre nach dem Massaker, das an der
alevitischen Zaza-Bevölkerung durch türkisches Militär verübt wurde.
Hasan wuchs mit Geschichten über die Zeit der politischen Verfolgungen auf. Bereits mit
10 Jahren schrieb er Gedichte; als Gymnasiast wurde er wegen eines Gedichtes, das zu dem
Massaker Stellung nahm, verhaftet und gefoltert.
Im Alter von 19 Jahren floh Hasan Dewran vor politischer Verfolgung nach Deutschland. Er
studierte Psychologie an der Universität Mannheim und arbeitet seit 1988 als
Psychotherapeut in Mannheim. Einige Jahre war er zusätzlich Mitarbeiter am Psychosozialen
Zentrum für Flüchtlinge und Opfer organisierter Gewalt in Frankfurt am Main. Er lebt in
Mannheim und hat drei Kinder.
Neben Ausbildung und Beruf ist Hasan Dewran dem Dichten immer treu geblieben. In einem
Interview bemerkt er: Das Studium und danach die langjährige Ausbildung standen oft
in Konkurrenz zu meiner literarischen Arbeit, da beide zeitintensiv waren. Heute habe ich
für mich einen Weg gefunden, wo ich mal mehr literarisch und mal mehr psychotherapeutisch
tätig bin. Ich habe da ein gewisses Gleichgewicht, zumal die beiden sich gegenseitig sehr
bereichern. Viele Eindrücke und verschiedene Lebensperspektiven fließen aus der
Interaktion der psychotherapeutischen Tätigkeit in meine literarische Arbeit ein und
zurück.
Hasan Dewrans erster, 1983 erschienener Gedichtband Entlang des Euphrat
richtet den Blick noch primär auf die von Krieg, Unterdrückung, Armut und Verzweiflung
gezeichnete Heimat. Die Gedichte sind in türkischer Sprache geschrieben und sind auf
Deutsch und Englisch übersetzt worden.
Seit seinem zweiten 1988 erschienenen Gedichtband Tausend Winde - Ein Sturm
schreibt er auch in deutscher Sprache und - wie der Mannheimer Morgen befand -
ungemein plastisch und bildstark selbst in deutscher Sprache.
Der kanadische Germanistikprofessor und Literaturkritiker Panthel, der einen Gedichtband
ins Englische übersetzte, bescheinigt Hasan Dewran eine Lyrik, die sich über dem
Durchschnitt ethnospezifischer Dichtung bewegt… Das laute unnötig
aktivistische Element ist ihr fremd - hier ist mehr Elegie, Verständnis, Wohlwollen und
Liebe als berechtigte Anklage und Rezept für Ressentiment.
Heute schreibt Hasan Dewran in drei Sprachen: in Deutsch, Türkisch und in seiner
Muttersprache Zaza. Sich immer wieder die Sprache Zaza zu vergegenwärtigen, ist dem
Dichter ein Anliegen; denn Zaza ist zwar in der Türkei heute geduldet, d. h. nicht
verboten - jedoch an Schulen wird die Sprache nicht gelehrt; so sind Sprache und
kulturelle Identität der Zaza langsam dem Vergessen preisgegeben.
Ein Zitat des Dichters verdeutlicht, dass aus seiner Sicht alle Sprachen als Ausdruck
menschlicher Existenz zusammengehören. Er selbst findet sich in verschiedenen Sprachen
und Kulturen aufgehoben. Ich zitiere aus der Rheinpfalz von 1991: Die Sprachen sind
die Stimmen der Völker. Sie sind wie die Blüten eines Baumes…Alle Völker
sind Brüder. Alle Sprachen sind Schwestern. Ich lebe in drei Kulturen, in drei Welten und
in drei Seelen. Drei Kulturen, Welten und Seelen leben in mir.
Es ist eine Lyrik, die sich dem modischen Trend verweigert. Eine Lyrik, die mit
eindringlichen poetischen Bildern von sozialen und emotionalen Bewegungen des
Lebensflusses handelt, und die zugleich die widersprüchlichen Facetten der menschlichen
Psyche beobachtet und beleuchtet.
Hasan Dewrans Poesie schöpft ihre Kraft aus Mythen, Märchen, Geschichten und vor allem
aus der Begegnung mit der Natur - inspiriert von seiner Heimat Osttürkei, den
schneebedeckten kargen Bergen, die von blühenden Wiesen eingerahmt sind - später
beeindruckt von den gebirgigen Landschaften Westeuropas.
Neue Kraft erwächst Hasan Dewran auch aus dem Dichten selbst. In einem Aphorismus aus dem
Gedichtband Mit Wildnis im Herzen von 1998 heißt es:
Beim Dichten
in jeder Sprache,
beginnen alle Worte
zu leuchten.
Wir freuen uns nun auf das Leuchten der Worte von Hasan Dewran.
(Anne B. Dell)
Feudenheim: Eine lyrische Entdeckungsreise mit
Hasan Dewran im Kulturtreff
Mannheimer Morgen vom 26.11.2008 - Christine
Hartmann
Wildnis im Herzen und Sanftmut im Wort
Ich will in allen Sprachen, die ich kenne, singen, schreiben und dichten, träumen,
denken und versinken, bekennt Hasan Dewran. Wer dem in der Osttürkei geborenen und
seit dreißig Jahren in Deutschland lebenden Schriftsteller und Psychotherapeuten
begegnet, spürt vor allem: Neben Deutsch, Türkisch und seiner Muttersprache Zazaki
dominiert die Sprache seines Herzens. Aus ihm spricht die Stimme der Ferne, mal wehmütig
sanft, mal heulend, wie der Sturm, der über die schroffen Berge seiner Heimat braust. Im
Feudenheimer Kulturtreff war Hasan Dewran nun zu Gast, um den Kreis der Zuhörer an seinen
Gedanken, Reflexionen und Träumen teilhaben zu lassen. Begleitet von den meditativen
Klängen des argentinischen Sitar-Spielers Emiliano Trujillo-Ripper, las die
Vereinsvorsitzende Christine Schaefer aus seinen lyrischen Märchen, während die
Schauspielerin Bettina Franke seine Gedichte vortrug. Sie arbeitet des Öfteren mit dem
Autor zusammen und hat insbesondere die deutschen Texte für die CD-Produktion Nähe
und Ferne gelesen.
Schreiben heißt unterwegs sein mit Gedanken und Träumen
Zweifellos, Hasan Dewran schöpft seine Kraft aus dem Schreiben. Hier lebt er seine
Sehnsüchte aus, wandert durch weite Länder, über endlose Ebenen, zu den Menschen seiner
Heimatdörfer, den Bauern und Schafhirten, dem Derwisch und dem Geistlichen seiner
alewitischen Religion (Pir). Zurückgekehrt in enge Räume wandert er weiter in
Erinnerungen an seine Geliebte mit dem Tambour in der Hand oder an den
afrikanischen Sänger in Amsterdam (Waja,Waja). Zerbrechlich und doch voller Zuversicht
sind seine Liebesgedichte, staunend seine Naturbeschreibungen, augenzwinkernd seine
Beobachtungen über die kleinen Unzulänglichkeiten des menschlichen und tierischen
Alltags (Unter Zeitdruck, In der finsteren Nacht).
Schreiben ist eine Leidenschaft, die einem tiefen Sehnen entspringt
Sehnsucht spricht aus den Texten des Hasan Dewran, Sehnsucht nach klaren Linien und
Gewissheiten, nach Liebe und Geborgenheit, nach Verständnis und Einsicht unter den
Menschen. Doch die Erkenntnis nagt an der Seele, schürt seinen Zorn über die
Widersprüchlichkeiten des Lebens, über den Unfrieden in der Welt. Vor allem aber schürt
sie Zweifel an der Existenz schlechthin, fragt nach Zufälligkeiten und Relativitäten,
wie es das Gedicht So nebenbei in Worte fasst.
Schreiben heißt Zweifel überwinden, Entäuschungen in Vertrauen verwandeln, Wut in
Gelassenheit
Wieder ist es das Schreiben, das Hasan Dewran hilft, seine Wut zu überwinden - vor allem
über den Verlust seiner allmählich untergehenden Heimat, in der es bald nur noch
mehr Gendarme als Steine gibt. Mit der Gründung der türkischen Republik
(1923) standen die osttürkischen anatolischen Gebiete unter Kontrolle. Durch den Krieg
der kurdischen Freiheitsbewegung und die Eingriffe des türkischen Militärs wurden
Dörfer geräumt, ihre Kultur, Religion und Sprache unterdrückt. Viele wanderten
daraufhin aus, vorwiegend nach Europa. Allein in Deutschland leben etwa 250 000 Aleviten,
die größtenteils ihre Zaza-Sprache mittragen.
Schreiben ist meine Liebeserklärung an die Sprachen, die ich spreche
Die bedrohte Kultur seines Ursprungslandes nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, ist
ein großes Anliegen Dewrans. So wie er die Mythen und Märchen seiner osttürkischen
Heimat in seine Aphorismen und Kurzgeschichten mit einfliessen lässt, so pflegt er auch
seine Muttersprache. Selbst trug er seine Gedichte in Zaza vor, zur großen Freude der
vielen alevitischen Besucher, die heute in Deutschland eine zweite Heimat gefunden haben.
(Mannheimer Morgen vom 26.11.2008 - Christine Hartmann)
Blühendes
Zazaki
Die Rheinpfalz, 25.11.2000
Der Lyriker Hasan Dewran im Reichert-Haus Zazaki sollte niemand mit einer Vorspeise
verwechseln, denn diese Sprache wird in einer Gegend gesprochen, wohin vermutlich noch nie
ein Tourist seinen Fuß gesetzt hat.
Schnee bedeckte Berge muss es dort geben und Rinder-, Ziegen, und Schafshirten, wie sie
die antiken Bukoliker besangen.
Zazaki, verwandt mit dem Kurdischen und Persischen, ist die Muttersprache des seit 1977 in
Deutschland lebenden und in Mannheim praktizierenden Psychotherapeuten Hasan Dewran.
Auf Zazaki, aber auch auf Türkisch und Deutsch, schreibt er Gedichte, Geschichten und
Aphorismen. Am Donnerstag gab Hasan Dewran in der Reihe "Interkulturelle
Kleinkunst" im Ludwigshafener Bürgermeister-Reichert-Haus eine Lesung aus seinen
Büchern, darunter auch aus seinem zuletzt erschienen Gedichtsband "Mit Wildnis im
Herzen".
Die drei Sprachen, und damit auch Kulturen, in denen er sich ausspricht, seien inzwichen
Teile seiner Seele geworden, bemerkte der Lyriker während der Lesung. Ebenfalls eine
Dreifaltigkeit hatten die Veranstalter, der Kleinkunstverein "focus" und die
Arbeit mit ausländischen Vereinen der Stadt Ludwigshafen, mit dem russischen Gitarristen
Alexej Liapko und der deutschen Schauspielerin Bettina Franke aufgeboten. Beide schmiegten
sich an die leisen, fast zärtlichen Töne der Gedichtsprache Hasan Dewrans an.
Zazaki, zur indoeuropäischen Sprachfamilie gehörig, klingt unseren Ohren vertrauter als
das aus der fernen asiatischen Steppe stammende Türkische. Unabhängig von der Sprache
aber zaubern Dewrans Gedichte eine Märchenwelt von Mond und Sternen, Nachtfaltern und
Glühwürmchen.
Wie im Märchen findet auch die dunkle Seite der Welt, Feindseligkeit und Trauer in ihnen
Platz, wenngelich aufgehoben in deren vielfältiger Schönheit, mit der Betonung auf der
Vielfalt.
Bezeichnend ist seine Überzeugung, Sprachen seien wie die Blüten eines Baumes. Wenn die
Sprachen weniger würden, würden auch die Blüten weniger. (huf)
(Die Rheinpfalz, 25.11.2000)
Poesie und Musik zwischen den Kulturen
Das Idsteiner Klappstuhlforum" bot erneut ein
außergewöhnliches
künstlerisches Projekt
rt. Idsteiner Zeitung vom 23.05.1997
Die mittlerweile 17. Veranstaltung des Klappstuhlforums" bei Krafft-Musikalien
- und doch wieder etwas außergewöhnlich Originelles, dieses Mal vorn Hexenbuchladen
organisiert. Daß interkulturelles Zusammenleben nicht nur ein Schlagwort ist, sondern zu
fruchtbarer Zusammenarbeit angregt, bewiesen drei Darsteller, die den Abend bestritten.
1979 kam Hasan Dewran aus der Osttürkei in der Nähe von Tunceli, um in Deutschland zu
studieren. Bis zu seiner Einschulung sprach er nur Zazaki, einen dem Kurdischen und
Persischen nahestehenden Dialekt aus der indogermanischen Sprachfamilie. Das Volk der Zaza
war in der Türkei ähnlich den Armeniern, Kurden und christlichen Assyrern bis in die
jüngste Vergangenheit Verfolgung und Unterdrückung ausgesetzt, Zazaki ist demnach eine
bedrohte Sprachkultur. Einen Großteil seiner Lyrik verfaßt Hasan Dewran nicht nur daher,
sondern auch weil hier seine zartesten Empfindungen wurzeln, in Zazaki und überträgt sie
anschließend ins Deutsche oder Türkische. In allen drei Sprachen fühlt er sich zuhause,
zumal er inzwischen in Mannheim eine psychotherapeutische Praxis betreibtund im
psychosozialen Zentrum in Frankfurt Flüchtlinge betreut.
Wohl keinen der Besucher ließ die freundliche Sprachmelodik der Gedichte Zazaki
unberührt.
Bettina Franke, zur Zeit in interkulturellen Projekten freischaffende Schauspielerin,
ebenfalls aus Mannheim, las die Textübertragung ins Deutsche in mitgehender Einfühlung.
Die Gedichte drücken verhaltene Sehnsucht nach der Heimat mit ihren landschaftlich
reizvollen Gegensätzen, ihrer Pflanzen- und Tierwelt, das karge dörfliche und enge
familiäre Zusammenleben aus, aber auch den deutlichen Protest gegen Unterdrückung und
Verfolgung: Ich stehe auf, stehe auf eigenen Füßen, verfolge das Treiben der
Weltl". Der rauschende Euphrat, der in der Orsttürkei entspringt, wird zur Mutter
der klagenden Anatolier, an denen jeder Tyrann im Laufe der Geschichte seine Wut abtobt.
Aber der Autor sieht tiefer. Nicht vordergründig b Revolutionen werden politische
Umstände ändern - Wie oft wurde Befreiung versucht?" - sondern eine
Rückbesinnung von innen her". Was ist das Land des Euphrat ohne
Zaza-Klage, ohne alevitische Derwische, ohne armenische Märchen und ohne assyri
sches Psalmodieren? In der kahlen Landschaft gibt es bald mehr Gendarmen als Steinei"
und wer sich sich nicht zur Geltung bringt, der unterwirft sich der Hand des Menschen.
Däs Detail des Besonderen wird oft zum Symbol des Ganzen: Rohane, wohin gehst du?
Du kehrst ja wieder zurück. Wolken am Himmel werden zu Wasser auf der Erde!. Der
Doppelsinn wird häufig benutzt, um Botschaften zu transportieren.
Die sprachliche Feinfühligkeit ist sicherlich ein Ergebnis des Wanderns zwischen
den Kulturen" und der Hoffnung, daß in dem oft men¬schenverachtenden Lärm der
modernen Zivilisation die Ehrfurcht vor einfachen unmittelbaren Lebenszusammenhängen
nicht verlorengeht Denn gerade hier ist auch die Verbindung zum Unmenschlichen"
gege¬ben, das erst ein friedliches, und tolerantes Miteinander ermöglicht. Heinrich
Heines Dichterliebe", ein Ausdruck ursprünglichster Emotion, läßt sich wie
zum Beweis mühelos auch auf Zazaki übertragen.
Umrahmt wurde die Lesung von Gitarrenmusik, die fernöstliche und westliche Momente in
Komposition und.Vortrag des Inders Sundara gleichermaßen verschmolz und damit auch im
Medium Musik auf gemeinsames zu bewahrendes Kulturgut hinwies.
Sundara wie auch die beiden anderen Darsteller trafen im Publikum auf großes Interesse
und erhielten wiederholten Beifall.
Wieder bis auf Zen letzten Platz besetzt waren die Sitzgelegenheiten beim Klappstuhlforum
mit Autor Hasan Dewran, Jutta Franke und dem Musiker Sundara.
(rt. IDSTEINER ZEITUNG)
Eine Sprache zwischen Tausend Winden"
von Makito
Zazaki (lies: Sasaki) ist eine der ältesten Sprachen indo-europäischen Ursprungs in
Anatolien. Sie wird im Osten der Türkei, am oberen Euphrat gesprochen, hauptsächlich in
Tunceli bzw. Dersim, wie die Stadt auch in Zazaki genannt wird.
Zazaki wird wegen ihres politischen und kulturellen Hintergrundes häufig noch als ein
Dialekt der kurdischen Sprache angesehen. Beide sind aber selbstständige Sprachen, die
zum iranischen Zweig der indogermanischen Sprachfamilie gehören. Die repressive
Sprachpolitik der türkischen Regierung verbannte Zazaki, Kurdisch und die Sprachen
zahlreicher anderer Minderheiten in den privaten Gebrauch. Sie sind im Rundfunk und
Fernsehen verboten und werden nicht in der Schule gelehrt. Nach einem Aufstand in den
Jahren 1937-38 wurden zwei Drittel der alevitischen Zaza-Bevölkerung in Tunceli durch ein
Pogrom getötet oder vertrieben. Damals wie heute waren die Zazas wegen ihres alevitischen
Glaubensbekenntnisses Repressionen und Verfolgungen ihrer Besatzer hilflos ausgeliefert.
Die Religion und Sprache wird offiziell nicht geschützt. Es gibt mittlerweile circa zwei
Millionen Sprecher, von denen aber ein erheblicher Teil in Westeuropa ansässig ist.
Allein in Deutschland leben schätzungsweise 250.000 Zaza-Sprechende. Dies wirkte sich
erheblich auf die Sprache aus, denn in ihrem Herkunftsgebiet gibt es keine Chance auf
Pflege und Gebrauch der Zazaki-Sprache - sie ist somit dem Untergang geweiht.
Während einer Rede am 24. November 2011 entschuldigte sich der türkische
Ministerpräsident Erdogan im Namen des Vorstandes der CHP-Partei, welche für das
Massaker in Tunceli verantwortlich war. Diese Entschuldigung, mit der Erdogan auf
Forderungen der Opposition einging, gilt als historisch.
Diese Erfahrungen, in seiner Heimat einer kulturellen und ethnischen Minderheit
anzugehören, wurden prägend für den Autoren Hasan Dewran. Viele seiner Werke handeln
von der Unterdrückung der Minderheiten innerhalb der türkischen Bevölkerung. Häufig
zeigt er in seinen Gedichten die Verbundenheit seines Volkes durch deren Heimat:
Koyê ma berjiyê, vile ma ça honde cewto? Hardê ma hirao, dewe ma dewletiyê. Sew u
soder gureme. Ça hona vesanime?
Diese Verse heißen wörtlich übersetzt:
Hoch sind unsere Berge, warum ist gebeugt unser Haupt? Unser Land ist groß und breit,
unsere Erde fruchtbar. Wir arbeiten Tag und Nacht, warum leiden wir dennoch an Hunger?
Sie sind stolz auf ihre Landschaften und Berge, müssen sich aber Demütigungen und
Repressionen beugen. Sie versuchen, die Welt zu kennen, in der sie gezwungen sind, zu
leben. Dennoch, sie alle verbindet die Liebe zu ihren Wurzeln.
Das Schicksal von Minderheiten auf der ganzen Welt ist Dewrans Anliegen. Das hier
abgebildete Gedicht Der Engel der Finsternis" ist seinem Gedichtband
Tausend Winde - Ein Sturm" entnommen. Hasan Dewran wurde 1958 in Tunceli
geboren und lebt seit 1977 in der Bundesrepublik Deutschland. Er studierte in Mannheim
Psychologie. Dewran schreibt in türkischer und deutscher Sprache sowie in seinen
Muttersprachen Zazaki und Kurdisch. Weitere Infos zu ihm und seinen Werken findet ihr
unter: www.hasan-dewran.de
Quelle: 58 unique, Januar 2012, Jena (www.unique-online.de).
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